Kunstbiennale Venedig

"400.000 Euro sind eine Frechheit"

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Aussteller Erwin Wurm: Pavillon "ziemlich sicher nicht mehr zeitgemäß".

Die Kunsthalle Krems und das Land Niederösterreich luden am Donnerstagabend in Wien zu einer Podiumsdiskussion, um sich dem heurigen  Biennale-Beitrag  von Brigitte Kowanz und Erwin Wurm aus unterschiedlichen Perspektiven anzunähern. Noch-Belvedere-Vize Alfred Weidinger nutzte die Gelegenheit, die Finanzierung des Pavillons als "letztklassig" anzuprangern.

Eigene Taschen

Weidinger, der ab 1. August Direktor des Museums der bildenden Künste in Leipzig wird, wetterte gegen die Finanzierung durch die öffentliche Hand. Er habe den Beitrag von Kowanz und Wurm im Vorfeld filmisch dokumentiert, das Ergebnis werde in Venedig zu sehen sein. "Aber eigentlich hätten wir eine dritte oder vierte Kamera gebraucht, um die Umstände einzufangen. Man geht mit den Künstlern und den Kommissären schlecht um. 400.000 Euro sind eine Frechheit. Die Künstler haben in die eigenen Taschen gegriffen und gehen damit ein großes Risiko ein", gab Weidinger Einblicke in die Entstehung des Biennale-Beitrags. "Und die Politiker sind nicht bereit, das Budget nachzubessern." "Gnadenhalber" habe das Bundeskanzleramt 30.000 Euro mehr zugeschossen. Weidinger: "Das ist wirklich letztklassig. Ich habe noch nie erlebt, dass Künstler so schlecht behandelt werden wie bei dieser Biennale."

"Man lässt sie alleine stehen" 

Auch die Kriterien zur Kür des Kommissärs hinterfragte Weidinger und dachte laut über eine neue Lösung für den Findungsprozess nach, etwa durch junge Kuratoren und die Zusammenarbeit mit Museen. Eine neue Organisationsform könne er sich ebenfalls vorstellen, etwa eine Betriebs-GesmbH. Schließlich hafte die heurige Kommissärin Christa Steinle, von 1998 bis 2011 Leiterin der Neuen Galerie in Graz, hinter der keine Institution stehe, mit ihrem eigenen Vermögen. "Man lässt sie alleine stehen", so Weidingers Fazit, der eine Aufstockung auf 1 Mio. Euro pro Biennale-Beitrag sowie ein stärkeres Engagement von Frauen anregte. "Von 1948 bis 2017 waren es (ohne Peter Weibels Beiträge) 149 männliche Künstler und sechs Frauen. Soviel zur Quote." Überhaupt habe noch keine einzige Frau die Chance gehabt, den Pavillon allein zu bespielen.

Mechanismen des Kunstbetriebs

"Viva Arte Viva" lautet das Motto der 57. Kunstbiennale, die heuer von 13. Mai bis 26. November im Arsenale sowie in den Giardini in Venedig stattfindet. Und "Sprungbrett oder Goldener Löwe? Österreichische Positionen zur Biennale 2017" benannte die Kunsthalle Krems ihre Veranstaltung im Palais Niederösterreich, der auch Neo-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) an ihrem ersten Tag im Amt beiwohnte. Niederösterreich ist einer der Förderer des diesjährigen Biennale-Beitrags, zumal beide Künstler mit dem Land auf die eine oder andere Weise verbunden seien, unterstrich Moderatorin Clarissa Stadler. Und genau diesen Punkt hob Peter Weibel, der den Abend durch ein launiges Impulsreferat bereicherte, hervor. Der mehrfache Kommissär des österreichischen Pavillons der Biennale (1993, 1995, 1997 und 1999) und Vorstand des ZKM - Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe widmete seine Rede den Mechanismen des Kunstbetriebs, konkret: der Preisvergabepolitik der Biennale in Venedig, die er als Ergebnis von "Cultural Engineering" beschrieb. "Wir haben es hier mit zwei Künstlern zu tun, über die vieles gesagt wurde", hob er eingangs Auszeichnungen und Würdigungen wie den Österreichischen Staatspreis für beide Künstler hervor. "Sie haben auch Genie", startete Weibel dann seine Abhandlung über die Etymologie des Begriffs "Genius". Dieser werde seit Jahrzehnten falsch verwendet. "Genie hat man, man ist es nicht", so der Medienkünstler.

"Die Genies heißen heute Lobbyisten."

"Genius bedeutete ursprünglich auch, einen wachsamen und beschützenden Begleiter zu haben", so Weibel, der damit zur Tatsache überleitete, dass Kowanz und Wurm nur dank großer finanzieller Eigenleistungen sowie zahlreicher Sponsoren ihre Arbeiten in Venedig realisieren konnten. Der seit Jahren konstante Betrag des Bundes von 400.000 Euro reiche bei Weitem nicht aus, um den österreichischen Beitrag zu realisieren. "Genius hat einen Namen - Christa Steinle. Oder die Sponsoren. Sie sind die Grundlage für den Erfolg", unterstrich Biennale-Urgestein Weibel, der sich im Anschluss der Frage widmete, wie man auf der Biennale zu einem "Goldenen Löwen" komme. "Welche Länder bekommen die Preise? Welche haben Genies und welche keine? Manche Länder haben mehrere, andere keine", so Weibel polemisch. Sein Fazit auf Basis mehrerer Fallbeispiele: "Die Genies heißen heute Lobbyisten."

Noch geheim 

Auch die beiden Künstler kamen zu Wort, verrieten jedoch keine Neuigkeiten zu ihren jeweiligen Vorhaben. Kowanz wird - wie bereits bekannt - einen Zubau im Garten bespielen, Erwin Wurm den Pavillon selbst. Wurm kritisierte lediglich die Tatsache, dass der Pavillon "ziemlich sicher nicht mehr zeitgemäß" sei. Er stehe "vollkommen unter Denkmalschutz, man darf dort keine Nägel mehr einschlagen." Auf Stadlers Nachfrage zu seinem Beitrag meinte er lakonisch: "Sagen wir: Ich habe Nägel eingeschlagen."
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