Prozess in Wien

Obdachlosen in S-Bahn malträtiert: Milde Urteile

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24 bzw. 21 Monate teilbedingt und Antigewalt-Training für zwei 19-jährige Schläger.

Mit einem blauen Auge sind zwei 19-jährige Burschen davongekommen, die in der Nacht auf den 17. Februar 2017 in einer S-Bahn-Garnitur in Wien-Brigittenau grundlos einen Obdachlosen malträtiert hatten. Sie wurden am Mittwoch im Landesgericht für Strafsachen bei einer Strafdrohung von bis zu zehn Jahren wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung zu 24 bzw. 21 Monaten teilbedingt verurteilt.

Teilbedingte Strafen

Der Haupttäter bekam zwei Jahre, davon acht Monate unbedingt. Der Rest wurde ihm unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Eine offene bedingte Vorverurteilung - vier Monate wegen vierfacher Körperverletzung - wurde widerrufen, so dass der 19-Jährige insgesamt zwölf Monate verbüßen muss. Er hatte sinngemäß angegeben, aus Frust und aufgrund alkohol- und cannabisbedingter Enthemmung auf den 55 Jahre alten Obdachlosen losgegangen zu sein.

Der zweite 19-Jährige bekam 21 Monate, davon sieben Monate unbedingt. Er wurde zusätzlich zur Prügel-Attacke für eine Körperverletzung vor einer Diskothek in der Donaustadt schuldig gesprochen, wo er am 8. Jänner 2017 einem Burschen einen Oberkieferbruch sowie eine Fraktur der linken Augenhöhle zugefügt hatte. Der ursprünglich zu diesem Faktum mitinkriminierte Raub konnte ihm nicht nachgewiesen werden.

Antigewalt-Training

Beiden 19-Jährigen erteilte der Schöffensenat (Vorsitz: Martina Frank) die Weisung, sich einem Antigewalt-Training zu unterziehen. Ein dritter zur Anklage gebrachter Bursch wurde wegen schwerer Körperverletzung zu zehn Monaten bedingt verurteilt. Bei ihm ging das Gericht davon aus, dass er dem Obdachlosen einen Faustschlag verpasst hatte. Das Opfer sowie ein Augenzeuge hatten - im Einklang mit der Verantwortung des 18-Jährigen - zwar erklärt, dieser hätte sich an den Gewalttätigkeiten nicht aktiv beteiligt, sondern wäre bloß dabei gestanden. Der Senat folgte jedoch der Darstellung der Hauptangeklagten, die ihren Freund belastet hatten. Sämtliche Urteile sind nicht rechtskräftig. Die 19-Jährigen verzichteten auf Rechtsmittel, der 18-Jährige meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Staatsanwältin Katharina Wehle gab vorerst keine Erklärung ab.

Obdachlosen verprügelt

Die drei Burschen waren gegen 1.20 Uhr in der Station Traisengasse in die S-Bahn eingestiegen, nachdem sie sich untertags in einem Casino in Tschechien und später im Prater vergnügt hatten. Als sie den auf einer Sitzbank schlafenden Obdachlosen wahrnahmen, beschlossen sie, diesen zu foppen. Sie rüttelten ihn wach, gaben sich als "Schwarzkappler" aus und verlangten seinen Fahrschein.

Der 55-Jährige reagierte ungehalten. "Ich hab' ihnen gesagt, sie sollen mich in Ruh' lassen", berichtete dieser dem Schöffensenat. Die zwei 19-Jährigen ließen darauf hin ihre Fäuste sprechen. Sie droschen dem Mann ins Gesicht und gegen den Kopf, bis dieser blutete. Er kassierte auch erste Tritte ins Gesicht. Ein anderer Fahrgast kam dem 55-Jährigen zu Hilfe. Er rief zunächst lautstark "Kinder, hört's auf!" Als das nichts fruchtete, griff er ins Geschehen ein, indem er einen der Angreifer am Arm packte und wegziehen wollte. Die 19-Jährigen schlugen allerdings weiter auf den Obdachlosen ein.

Fahrgast bot Haupttäter Geld an

Um sie endlich zum Aufhören zu bringen, bot der couragierte Fahrgast dem Haupttäter, dessen eine Hand eingegipst war, schließlich sogar Geld. Der 49-Jährige hielt ihm eine Handvoll Münzen hin. "Er hat mir zu verstehen gegeben, dass das zu wenig ist. Er hat 20 Euro verlangt. Die hab' ich nicht parat gehabt", schilderte der Mann als Zeuge dem Gericht.

Dass sich der Fahrgast eingemischt hatte, verschaffte dem Obdachlosen Gelegenheit, sich von seinem Platz zu erheben und Richtung Tür zu bewegen. "Wenn ich nicht aufgekommen wäre, wäre das sehr schlecht ausgegangen. Vermutlich tödlich. Die Tritte waren sehr wuchtig", gab der 55-Jährige im Zeugenstand zu Protokoll. Als die S-Bahn in der Station Handelskai anhielt, stieg der Mann aus.

Frust als Motiv

Der Haupttäter folgte ihm auf den Bahnsteig, brachte den bereits stark blutenden Mann zu Boden und versetzte ihm vier weitere wuchtige Tritte mitten ins Gesicht. Der 55-Jährige erlitt einen offenen Nasenbeinbruch, Hämatome, Prellungen und eine Rissquetschwunde. "Er hatte wahnsinnig viel Glück, dass nicht weit mehr passiert ist", hielt die Staatsanwältin fest.

Der aus dem Schlaf gerüttelte Mann hätte "eine Bewegung gemacht, die ich damals als provozierend empfunden habe", so der Haupttäter in seiner Einvernahme. Darauf habe er "zwei Mal zugeschlagen mit der Faust". Gefrustet war der 19-Jährige - er hatte das Gymnasium in der sechsten Klasse abgebrochen -, weil er aufgrund einer Handverletzung, die ihm einen Gips einbrachte, einen Barkeeper-Kurs nicht abschließen konnte.

"Ins Uferlose abgeglitten"

Auf die Frage, weshalb er dem 55-Jährigen auf den Bahnsteig gefolgt sei und diesen dort dann regelrecht zusammengetreten hätte, meinte der Bursch, der Mann habe beim Verlassen der S-Bahn "etwas gesagt". Er hätte "Hurensohn" vernommen und das auf sich bezogen: "Das hat mich derart wütend gemacht, dass ich ihm nachgelaufen bin."

Der zweite 19-Jährige behauptete, er habe deswegen hingelangt, "weil er (der Obdachlose, Anm.) aggressiv rüber gekommen ist. Ich hab' geglaubt, der will meine Freunde angreifen". Sein Verfahrenshelfer beschrieb seinen Mandanten als einen jungen Mann, der sich an sich auf einem guten Weg befunden hätte: "Er war Landschaftsmaler, hat Ausstellungen gehabt." Nach einer diagnostizierten Diabetes wäre der Bursch aber "ins Uferlose abgeglitten".

Der Obdachlose bekam vom Gericht 2.120 Euro zugesprochen, das sich aus vom Gerichtsmediziner errechneten Schmerzperioden zusammensetzte. Dafür haften die drei Verurteilten zu ungeteilter Hand.

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