Prozess in Wien

IS-Anschlag geplant: Drei Schuldsprüche

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Die drei jungen Männer hatten einen Anschlag auf eine Polizeistation in St. Pölten geplant.

Drei junge Männer, die im Sommer 2015 eine Splittergruppe der radikalislamistischen Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) gebildet und einen Mordanschlag auf eine Polizeistation in St. Pölten geplant haben sollen, sind am Mittwoch am Wiener Landesgericht schuldig gesprochen worden. Ein mittlerweile 22-Jähriger und zwei 19-jährige Burschen wurden - nicht rechtskräftig - anklagekonform verurteilt.

Nach Ansicht eines Schöffensenats waren mit den inkriminierten Handlungen die Tatbestände der terroristischen Vereinigung, des verbrecherischen Komplotts und der Bildung einer kriminellen Organisation erfüllt. Der 2002 von Tschetschenien nach Österreich geflüchtete 22-Jährige fasste unter Bedachtnahme auf eine vorangegangene 33-monatige Haftstrafe für drei Raubüberfälle eine Zusatzstrafe von sechs Monaten unbedingt aus. Ein aus Wien-Simmering stammender, bisher unbescholtener Schüler, der bis zu seiner Festnahme im April 2017 über soziale Medien Propaganda für den IS betrieben hatte, erhielt 26 Monate unbedingt. Ein gebürtiger Tschetschene, der sich seit 2005 in Österreich befindet, bekam 15 Monate, davon fünf unbedingt. Der Rest wurde dem 19-Jährigen unter Setzung einer dreijährigen Probezeit auf Bewährung nachgesehen.

Radikalisierung

Er war über einen Social Media-Dienst mit einem bisher nicht ausgeforschten, vermutlich im syrischen Kriegsgebiet aufhältigen IS-Mitglied namens Abu Nuuh in Kontakt gestanden. Der 19-Jährige brachte dessen Gedankengut dem gleichaltrigen, im Frühjahr 2015 zum Islam konvertierten Simmeringer Schüler und dem 22-Jährigen nahe. Alle drei - die beiden Jüngeren waren damals noch minderjährig - hatten sich vor dem Sommer 2015 binnen weniger Monate radikalisiert.

Abu Nuuh erteilte schließlich den Burschen den Auftrag, in einer österreichischen Stadt, die kleiner als Wien sein sollte, Polizisten zu ermorden, nachdem sie einen Treueschwur auf den IS abgelegt hatten. Laut Anklage beabsichtigten die drei jungen Männer zunächst, einen Waffenhändler in St. Pölten zu überfallen. Mit den erbeuteten Waffen wollten sie dann ein Blutbad in einer Polizeiinspektion in der niederösterreichischen Hauptstadt anrichten. Dabei sollen sie ihren "Märtyrertod" bewusst in Kauf genommen haben.

Die Angeklagten stellten dieses Vorhaben vor Gericht nicht in Abrede. "Die Pläne kamen von Abu Nuuh", erzählte der aus Wien stammende 19-Jährige. Ursprünglich hätte er vorgehabt, mit dem gleichaltrigen Mitangeklagten nach Syrien zu reisen, um für den IS zu kämpfen: "Er (Abu Nuuh, Anm.) hat vorgeschlagen, dass wir einen Anschlag hier machen."

"Ich wollte dazu gehören"

Auf die Frage, wie er zum IS gekommen sei, erwiderte der junge Wiener: "Ich wollte dazu gehören. Ich hatte sehr wenige Freunde." Er sei in der Hauptschule ausgegrenzt worden, "weil ich Österreicher bin. Die anderen haben mich ausgelacht."

"Man hat als Jugendlicher die Sympathie für den IS. Wir wollten zu etwas gehören. Wir wollten eine Bedeutung haben", bemerkte der zweite 19-Jährige. Er kannte ein Waffengeschäft in St. Pölten, in dem sich die damals noch Jugendlichen Schießeisen besorgen wollten. Vor dem Laden hätten sie jedoch ihre Pläne fallen gelassen: "Wir sind zwei Minuten vor dem Waffengeschäft gestanden. Dann haben wir gesagt, machen wir etwas anderes. Wir sind etwas essen gegangen."

Anonymer Warnhinweis

Der Staatsanwaltschaft zufolge unterblieb die Tatausführung nur deshalb, weil am 13. Juli 2015 im Innenministerium ein anonymer Warnhinweis einging, der in weiterer Folge medial verbreitet wurde. Bei dem Informanten dürfte es sich um eine Person aus dem engsten Umfeld der Angeklagten gehandelt haben. Diese Darstellung wiesen die beiden 19-Jährigen zurück, wobei sie damit teilweise ihren Angaben vor dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) widersprachen, das sie mehrfach als Beschuldigte vernommen hatte. Ihr Rückzieher hätte mit der Medienberichterstattung nichts zu tun gehabt, versicherte der milchgesichtige Wiener: "Das Ganze war schon zwei Wochen vorher gestorben. Die Medienverbreitung hat uns darin nur bestärkt."

Der zweite 19-Jährige schilderte, er hätte Abu Nuuh wissen lassen, dass es kein Blutbad geben wird. Er sei darauf von diesem beschimpft worden und hätte in weiterer Folge anonyme Drohanrufe erhalten. "Der Abu Nuuh war nicht ohne. Er hat uns gesagt, wir sind auf der Todesliste. Wir hatten eine Woche Paranoia", präzisierte der aus Wien stammende Angeklagte.

Ermittlungen

Auf die Spur des Trios war man im Zuge der Ermittlungen gegen einen im Jänner 2017 in Wien unter Terror-Verdacht festgenommenen Jugendlichen gekommen. Der 18-Jährige wollte angeblich einen strafunmündigen Zwölfjährigen zu einem Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen anstiften. Er stand in engem Kontakt mit einem 22-jährigen Deutschen, mit dem er auch eine "Testbombe" hergestellt haben soll. Nachdem für den Deutschen, gegen den in seiner Heimat ebenfalls ein Verfahren anhängig ist, die Handschellen geklickt hatten, stieß man bei der Auswertung seines Mobiltelefons auf 495 Chats, die dieser mit dem 19-jährigen Wiener Schüler führte. Im April 2017 wurden der 19-Jährige und in weiterer Folge sein gleichaltriger mutmaßlicher Komplize festgenommen.

Bei der Strafzumessung schlug sich die geständige Verantwortung der Angeklagten sowie der Umstand, dass sie sich inzwischen vom IS abgewandt haben, strafmildernd nieder. Ohne die Aussagen, zu denen die jungen Männer im Ermittlungsverfahren bereit waren, wäre der Großteil der inkriminierten Fakten gar nicht bekannt geworden, betonte der Richter.

Urteile nicht rechtskräftig

Der 22-Jährige wurde zusätzlich in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Einem psychiatrischen Gutachten zufolge leidet der gebürtige Tschetschene an einer ausgeprägten kombinierten Persönlichkeitsstörung. Der Expertise zufolge war er im Tatzeitraum aber zurechnungsfähig. Aufgrund seiner Erkrankung stufte ihn die Sachverständige als derart gefährlich ein, dass ohne therapeutische Begleitmaßnahmen, die in einer Sonderstrafanstalt gewährleistet sind, nach seiner Entlassung neuerlich mit Straftaten mit schweren Folgen zu rechnen wäre. Der 22-Jährige, der laut Urteil insgesamt 39 Monate zu verbüßen hat, kann selbst nach Ablauf dieser Zeit erst dann das Gefängnis verlassen, wenn ein Psychiater zum Schluss kommt, dass von ihm keine Gefahr mehr ausgeht.

Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Während die drei Männer auf Rechtsmittel verzichteten, gab der Staatsanwalt vorerst keine Erklärung ab. Der aus Tschetschenien stammende 19-Jährige, der eine teilbedingte Haftstrafe ausgefasst hatte, wurde nach der Verhandlung auf freien Fuß gesetzt. Er hat weit mehr als den unbedingten Strafteil von fünf Monaten bereits in der U-Haft abgesessen, die ihm auf die Strafe anzurechnen war.

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