vlcsnap-2019-10-10-20h04m30s680.png

VP-Chef über Sondierungen & neue Regierung

Kurz im großen Interview: 'So will ich regieren'

Teilen

So soll die „Koalition der Sieger“ von ÖVP und Grünen auf den Weg gebracht werden.

Seine Präferenz scheint klar: Insgeheim wünsche er sich – sind sich meh­rere VP-Wegbegleiter von ­Sebastian Kurz einig – eine „Koalition der Sieger“. Mit dem Grünen-Chef – neben den Türkisen der zweite große Sieger der Nationalratswahl – hat er denn auch bereits mehrmals informelle Gespräche gehabt. Vergangene Woche trafen sich der VP-Chef und Werner Kogler erstmals offiziell zu Sondierungen im Winterpalais des Finanzministeriums. Kommenden Freitag will die ÖVP in großer türkis-grüner Runde Inhalte sondieren – neben Kurz werden auch die Ex-VP-Minister Elisabeth Köstinger, Gernot Blümel, Margarete Schramböck sowie ÖAAB-Obmann August Wöginger und Chefberater Stefan Steiner daran teilnehmen. Im VP-Team finden sich mehrere Befürworter von Türkis-Grün.

Die grünen Verhandler

Das dürfte bei den Grünen nicht anders sein. Neben Kogler sollen auch Klimaexpertin und grüne Nummer zwei ­Leonore Gewessler sowie die Landesräte Astrid Rössler und Rudi Anschober mitmachen. Im ÖSTERREICH-Interview gibt Kurz aber offen zu, dass er damit rechnet, dass es „Monate dauern wird“, bis eine Regierung zusammenkommen werde.

Kurz Kogler
© APA/HELMUT FOHRINGER
ÖVP und Grüne starteten bereits mit den Sondierungen

Zuwanderung

In Sachen Zuwanderungspolitik wird sich der VP-Chef schließlich nicht kompromissbereit zeigen. Dafür dürfte sich die VP in der Klimapolitik weit bewegen wollen. Die Grünen brauchen freilich für einen allfälligen Koalitionsvertrag grünes Licht von ihrem Bundeskongress. Kein leichtes Unterfangen. Daher bleibt auch SP-Chefin Pamela Rendi-Wagner – für die SP verhandeln Doris Bures, Jörg Leichtfried, Rainer Wimmer und Peter Kaiser – im Spiel. Sie werden am Donnerstag neuerlich mit Kurz sondieren. Die Blauen haben sich hingegen selbst aus dem Koalitionsrennen genommen.

Hofer
© APA/GEORG HOCHMUTH

Hofer lässt Hintertürl offen

Offiziell hat sich die FPÖ aus dem Koalitionsspiel genommen. „Bei einem Wahlergebnis von über 20 Prozent wäre ein sofortiger Eintritt in Regierungsverhandlungen möglich gewesen“, sagt FPÖ-Chef Norbert Hofer: „Das tatsächliche Ergebnis (16,2 %, Anm.) gibt uns dafür keine Legitimation.“ Die Wähler hätten eindeutig ÖVP und Grüne gestärkt.

„Angebot bleibt aufrecht“

Doch der Ex-Verkehrsminister lässt sich ein „Hintertürl“ sperrangelweit offen: „Ich finde Türkis-Grün nicht spannend“, schreibt er auf Facebook: „Mein Angebot bleibt aufrecht. Sollten die Verhandlungen zwischen Kurz und Kogler oder Rendi-Wagner scheitern, wird die FPÖ ihre staats­politische Verantwortung nicht ver­gessen.“ Soll heißen: Türkis-Blau bleibt im Rennen.

Kurz
© TZOE/Artner
VP-Chef Kurz mit ÖSTERREICH-Polit-Insiderin Isabelle Daniel und oe24-Chefredakteur Niki Fellner.

Kurz im Interview: "Ich drücke eher zu sehr als zu wenig aufs Tempo"

ÖSTERREICH: Sie haben zwar 37,5 Prozent erreicht, aber wissen jetzt nicht, mit wem Sie eine Koalition machen sollen oder können. Ist es jetzt nicht noch schwerer für Sie geworden?

Sebastian Kurz: Nein, jede Partei, die gestärkt wird, ist natürlich nachher auch besser in der Lage, die eigenen Inhalte zu vertreten. Wir mussten stärkste Kraft werden, um überhaupt regieren zu können, um den Re­gierungsbildungsauftrag zu erhalten. Aber Sie haben recht, wir haben natürlich keine absolute Mehrheit und müssen daher eine Koalition bilden. Diese Sondierungs- und Verhandlungsphase wird keine einfache werden, aber ich bin trotzdem froh und dankbar über das Ergebnis, weil es uns die Kraft gibt, dem Land zu dienen.

ÖSTERREICH: Sie haben die erste Runde an Sondierungsgesprächen hinter sich. Wie schwer waren denn diese Gespräche?

Kurz: Die ersten Gespräche waren atmosphärisch mit allen Parteichefs sehr gut. Es waren relativ ausführliche Vieraugengespräche, in denen wir die Möglichkeit genutzt haben, die Schnittmengen festzustellen und auch über die Unterschiede zwischen den Parteien zu sprechen.

ÖSTERREICH: Ab Donnerstag werden Sie weiter mit Grünen, SPÖ und Neos reden …

Kurz: In der ersten Runde ging es auch darum, welche Partei bereit ist, in einer Regierung mitzuarbeiten. Drei Parteien, SPÖ, Grüne und Neos, haben gesagt, dass sie grundsätzlich regieren wollen. Die FPÖ hat gesagt, dass sie in ihrem Wahlergebnis keinen Regierungsauftrag sieht und auf Oppositionskurs geht. Das ist zu respektieren.

ÖSTERREICH: Nach Ibiza, Spesen und dem Hickhack, das da um das Mandat von Philippa Strache tobt: Wäre die FPÖ für Sie überhaupt ein Koalitionspartner?

Kurz: Ich führe keine Was-wäre-wenn-Debatten. Die FP hat klar gesagt, sie sieht ihren Weg in der Opposition, insofern ist es gar nicht notwendig, von meiner Seite da auf jedes Detail einzugehen, das gerade in der FP passiert. Auch in anderen Parteien gibt es Herausforderungen. Auch in der Sozialdemokratie gibt es Debatten. Es wird ein Stück weit die Notwendigkeit sein, dass sich während der Sondierungsphase diese Nebel lichten. Ich möchte ab Donnerstag die Gespräche in größeren Gruppen fortsetzen, um auch die Teams der Parteien besser kennenzulernen.

ÖSTERREICH: Ab wann wollen Sie in echte Koalitionsverhandlungen treten?

Kurz: Ich bin ein recht ungeduldiger Mensch und dafür bekannt, eher zu sehr als zu wenig aufs Tempo zu drücken. Insofern muss ich mich da selbst jetzt ein bisschen zurückhalten. Ich gehe davon aus, dass diese Sondierungsphase schon einige Wochen in Anspruch nehmen wird. Wenn es dann möglich ist, in Regierungsverhandlungen einzutreten, werde ich das tun, und hoffentlich auch bestmöglich und schnellstmöglich eine stabile Regierung für Österreich bilden. Das wird aber einige Monate dauern. So viel steht fest.

ÖSTERREICH: Haben Sie den Eindruck, dass die Grünen bereit sind?

Kurz: Das muss man sich inhaltlich ansehen. Was ich sagen kann, ist, dass das Gespräch mit Werner Kogler, so wie auch mit den anderen Parteichefs, atmosphärisch ein gutes war und dass ich durchaus den Willen bei ihm orte, einen Beitrag in einer möglichen Regierung zu leisten. Mehr kann ich zum derzeitigen Zeitpunkt nicht sagen, daher auch die weiteren Gespräche.

ÖSTERREICH: 2017 waren Sie mit Ex-FP-Chef Strache Sushi essen. Planen Sie das auch mit Kogler?

Kurz: Wir hatten damals Gespräche nach der Wahl geführt. Ich habe das jetzt auch getan und manche Gespräche sind informell, wo nicht gleich ein Rudel an Journalisten davor und danach wartet und fragt, was besprochen wurde. Ich glaub, dass das auch gut ist, dass sich Politiker ab und zu zu vertraulichen Gespräche treffen können. Das ist notwendig, wenn man zusammenarbeiten möchte. Und insofern versuche ich in der nächsten Zeit da und dort, wo ich glaube, dass es richtig ist, vertrauliche Vier-Augen-Gespräche zu führen und da und dort in größere Verhandlungs- oder Gesprächsrunden einzusteigen, damit man ein besseres Gefühl für die jeweiligen Parteien bekommt und auslotet, wo es inhaltliche Schnittmengen gibt oder nicht.

ÖSTERREICH: Türkis-Grün wäre ein Role Model für Europa. Reizt Sie das internationale Echo?

Kurz: Mit geht es nicht um die Schlagzeilen und um die Frage, ob die gerade positiv oder negativ sind, sondern wir haben eine klare Vision für Österreich. Wir haben klare Herausforderungen, die auf die nächste Bundesregierung zukommen. Das ist zum Ersten einmal, sicherzustellen, dass uns die schlechte Konjunkturlage aus Deutschland in Österreich nicht mit voller Härte trifft. Um zu verhindern, dass uns auch steigende Arbeitslosigkeit droht, müssen wir handeln. Wir müssen die Steuerlast weiter senken, damit die Menschen, die Arbeit haben, auch davon leben können. Es ist wichtig, weiter entschlossen gegen illegale Migration anzukämpfen, gegen den Klimawandel vorzugehen und Reformprojekte umzusetzen, die notwendig sind in Österreich. Also da gibt es viel zu tun für die nächste Bundesregierung.

ÖSTERREICH: Wo sehen Sie die größten Differenzen/Übereinstimmungen mit den Grünen?

Kurz: Ich muss um Verständnis bitten, dass ich Verhandlungen nicht über die Medien führe, sondern direkt mit den jeweiligen Parteien. Es wäre nicht sehr vertrauensbildend, sich jetzt schon rote Linien über die Medien auszurichten. Wir sind unterschiedliche Parteien mit unterschiedlichen Zugängen, das ist in einer Demokratie auch ganz normal. Nun werden wir nächste Woche intensiver inhaltliche Fragen und mögliche Schnittmengen diskutieren.

ÖSTERREICH: Im Wahlkampf gab es persönliche Angriffe von Rendi-Wagner gegen Sie. Hat sich die Vertrauensbasis zwischen Ihnen verschlechtert?

Kurz: Unser Gespräch war ein atmosphärisch gutes so wie auch mit den anderen Parteichefs. Sie haben aber recht, der Wahlkampf war sehr schmutzig und auch von persönlichen Angriffen geprägt. Wir haben daher über den politischen Stil gesprochen. Der Umgang in der Politik sollte wieder ein respektvollerer und die politische Kultur endlich wieder besser werden. Das ist mir ein wichtiges Anliegen.

ÖSTERREICH: Sollten alle anderen Varianten scheitern, werden Sie dann eine Minderheitsregierung versuchen?

Kurz: Das ist zum jetzigen Zeitpunkt eine hypothetische Frage, die Sondierungsgespräche haben ja gerade erst einmal begonnen. Sollte es aber gar nicht möglich sein, eine Koalition zu bilden, dann gibt es immer noch diese Möglichkeit, wenn andere Parteien bereit sein sollten, dies im Parlament zu stützen.

ÖSTERREICH: Nach dem Neonazi-Attentat in Halle – wird genug gegen die rechtsextreme Terrorgefahr gemacht?

Kurz: Wir müssen gegen jegliches radikales Gedankengut entschieden vorgehen und sehr wachsam sein. Wir sind auf keinem Auge blind. Daher trete ich für ein Verbot der Identitären ein genauso wie für den Kampf gegen den politischen Islam. Besonders wichtig ist mir auch der Schutz jüdischer Gemeinden und der entschiedene Kampf gegen jegliche Form des Antisemitismus. Das war daher auch eine wichtige Priorität unseres EU-Ratsvorsitzes.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.