Das sagt ÖSTERREICH

Ersatz-Kaiser ist besser als sein Ruf

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Ein Kommentar von ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner.

Bundespräsident Van der Bellen hat für ÖSTERREICH – und für oe24.TV – eines seiner raren Interviews gegeben. Er präsentierte sich, wie alle im TV sehen konnten, in Hochform: locker, sympathisch, (staats-)väterlich und mit enorm viel Schmäh.

Van der Bellen ist definitiv in der Hofburg angekommen, er agiert souverän, wirkt fast wie ein Ersatzkaiser – man merkt, der Job als grüner Franz Joseph macht ihm Spaß.

Die Umfragewerte für Van der Bellen sind freilich enttäuschend. Nach wie vor sehen nur 40 % der Österreicher den grünen Präsidenten positiv, aber 34 % negativ – so viele wie noch nie bei einem Präsidenten seit Waldheim. Der Positiv-Saldo von 6 % ist überhaupt der schwächste, den ein Bundespräsident in Österreich je hatte.

Woran das liegt? Sicher daran, dass Van der Bellen im Wahlkampf enorm polarisiert hat. Dabei zeigt er sich von einer überraschend versöhnlichen Seite.

Die Regierungsbildung hat er – entgegen seinen lauten Anti-FPÖ-Tönen im Wahlkampf – zurückhaltend begleitet. Die FPÖ in der Regierung hat er nicht verhindert, zu Strache und Kurz pflegt er ein extrem konstruk­tives Verhältnis.

Vielen Grünwählern ist der Präsident schon zu FPÖ-freundlich, sie wollen klarere Worte – etwa gegen die radikale Kürzung der Mindestsicherung – hören. Tatsächlich hat Van der Bellen eine Rolle noch nicht gefunden: die des kritischen Gewissens gegen Türkis-Blau.

Tatsächlich lobt der Präsident Kurz und Strache im Interview auffällig oft. Er will dieser Regierung im Stillen hinter der Tapetentür die Giftzähne ziehen.

Populär macht diese stille ­Politik der vielen kleinen Aussprachen den Präsidenten (noch) nicht. Nach dem ersten Jahr muss man sagen: Er ist besser als die Umfragen – und ein Gewinn für das Land. Zumindest, weil wir wieder einen Ersatz­kaiser in der Hofburg haben.

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