Das sagt Österreich

Nach Silberstein: Kern muss sich von SPÖ abkoppeln

Teilen

Ein Kommentar von ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner.

Wie dramatisch ist die – von oe24 exklusiv gemeldete – Verhaftung des Polit-Beraters Tal Silberstein für die SPÖ und ihren Spitzenkandidaten Christian Kern? Kann Kern die 11 % Rückstand auf Kurz jetzt überhaupt noch aufholen? Und fällt Kern jetzt auf den dritten Platz zurück?

Die Polit-Bombe
des Feiertag-Weekends macht diesen Wahlkampf noch spannender, als er ohnehin schon war. Für den (vorerst) vom Pech verfolgten Kanzler ist die Verhaftung seines „Umfrage-Beraters“ ein Super-GAU: Der ganze positive Trend für Kern seit seiner fulminanten Parteitags-Rede ist (vorerst) wohl beim Teufel. Die völlig richtige Strategie, auf soziale Themen zu setzen, ist (vorerst) gebremst. Der Slogan „Holen Sie sich, was Ihnen zusteht“ ist (vorerst) eher ein Stammtisch-Witz als zum Wahl-Entscheider geworden.

An den Stammtischen
wird die Silberstein-Verhaftung (vorerst) verheerende Wirkung haben: Ein israelischer Berater, verstrickt in einem Netzwerk von Geldwäschern, die mit Milliarden und Diamanten dealen, macht in Wien für angeblich 400.000 Euro Wahlkampf. Weil er das Geld braucht? Wohl kaum. Weil er die SPÖ liebt? Wohl kaum. Weil er hinter den Kulissen – etwa bei den Casinos – abkassieren will? Brutaler kann man SPÖ-Wähler nicht provozieren.

Ich glaube
trotzdem nicht, dass die „Affäre Silberstein“ die Wahl entscheiden wird. Sie ist am 15. Oktober wohl vergessen. Alles spitzt sich auf das Duell Kern gegen Kurz zu.

Kern muss sich von SP abkoppeln, die an Silberstein schuld ist.

Man sollte den Kanzler nicht unterschätzen. Die meisten Österreicher mögen ihn. Die Wirtschafts-Daten am Ende seiner kurzen Regierung sind gut. Er ist ein Top-Manager. Und sein Gerechtigkeits-Wahlkampf wird ihm im Finish – in den TV-Duellen – noch Punkte bringen.

Kern steht
mit dem Rücken zur Wand. Schlechter kann man einen Wahlkampf nicht starten. Sein größter Fehler war, sich von seiner maroden Partei nicht so abzukoppeln wie Kurz von der ÖVP. Letztlich hat ihm diese Partei auch den absurden Berater Tal Silberstein eingebrockt. Silberstein wurde dem Kanzler von der Partei „untergejubelt“.

Kern weiß seit seinem Amtsantritt, dass er mit dieser SPÖ keinen Blumentopf mehr gewinnen kann – vielleicht war das Silberstein-Debakel endlich der Punkt, wo Kern vom Absturz-Flieger SPÖ abspringt.

Kern selbst kann
nach diesem Silberstein-GAU nur noch zum „Comeback-Kid“ werden, wenn er endlich das tut, was ihm bei den ÖBB so großartig gelungen ist: Sein Marketing selbst in die Hand nehmen. So wie Kurz.

Kurz schweigt nobel – als Strategie. Aber warum schweigt Strache?

Apropos Kurz: Wird er vom Silberstein-GAU profitieren? Nur wenig – denn der ÖVP-Chef setzt seine Erfolgs-Strategie fort. Kein Anpatzen der anderen. Nobles Schweigen. Langfristig macht es den 30-Jährigen immer mehr zum „Darling der Nation“. Er bleibt der Einzige, der in diesem Wahlkampf weiter fehlerfrei agiert.

Die FPÖ wird
von der ganzen Stammtisch-Erregung um den Israeli Silberstein am meisten profitieren. Ihr Wahlkampf-Genie Herbert Kickl hat das als Erster erkannt, auf Overdrive geschaltet und sogar den Rücktritt des Kanzlers gefordert.

Das zieht derzeit sicher mehr als Hysterie über Flüchtlinge. Silberstein ist ein aufgelegter Elfmeter für die FPÖ.

Nur: Wo ist
der blaue Torschütze? Wo ist Strache? Während bei Kurz nobles Schweigen zur Strategie gehört, wird weiteres Schweigen bei Strache für ihn lebensgefährlich. Die Wähler wollen Strache im Angriffs-Modus – doch der wirkt (vorerst) noch, als wäre er irgendwo eingeschlafen.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.