Geheimdienst prüft Vorwürfe

Verdacht: Erdogan-Spionage in Deutschland?

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Die Karlsruher Behörde setzt auf Erkenntnisse der deutschen Geheimdienste.

Im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen den türkischen Geheimdienst MIT, in Deutschland Anhänger der Gülen-Bewegung ausspioniert zu haben, hat die Bundesanwaltschaft Ermittlungen gegen Unbekannt aufgenommen. Der Ermittlungserfolg werde davon abhängen, was die deutschen Spionageabwehrbehörden mitteilten, sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft am Dienstag in Karlsruhe.

Nach Angaben aus Niedersachsen hatte der MIT Informationen über rund 300 Menschen und Einrichtungen mit Bezug zur Bewegung des Geistlichen Fethullah Gülen gesammelt, den Ankara für den gescheiterten Putsch im Juli verantwortlich macht. Die Erkenntnisse wurden an die deutschen Behörden weitergegeben, die den Vorgang nun öffentlich machten.

"Spionage wird nicht geduldet"

Deutschlands Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) warnte die Türkei ausdrücklich weiteren Ausforschungen: "Spionageaktivitäten auf deutschem Boden sind strafbar und werden von uns nicht geduldet", sagte er am Dienstag im Bayrischen Rundfunk. Das gelte für alle Länder. Deutschland habe dies der Türkei schon "mehrfach gesagt".

Die türkische Regierung macht den in den USA lebenden Prediger Gülen für den gescheiterten Putsch im Juli 2016 verantwortlich und hofft bei der Verfolgung angeblicher Anhänger offenbar auf deutsche Unterstützung. Deutsche Sicherheitsbehörden informierten aber Betroffene, die auf einer Liste des MIT geführt werden.

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) forderte eine gründliche Untersuchung: "Sollte es so gewesen sein, das vermag ich aber jetzt weder zu bestätigen noch zu dementieren, wäre es in der Tat ein schwerwiegender Vorgang."

Liste mit Gülen-Anhängern

Der MIT hatte eine Liste mit Namen angeblicher Gülen-Anhänger im Februar dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) überreicht. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wurde diese an die Sicherheitsbehörden in den Bundesländern weitergegeben. Dort gehen in der Regel Polizeibehörden auf die in der Liste erwähnten Personen und Institutionen zu, um sie über den Spionageverdacht zu informieren.

Nach Angaben des niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius (SPD) wurde die Liste vom MIT übergeben "in der Absicht, von den deutschen Behörden Unterstützung bei der Beobachtung und Ausforschung dieser Menschen zu bekommen". Dem sei nicht nachgekommen worden. Der niedersächsische Verfassungsschutz habe die Betroffenen gewarnt, da ihnen bei einer Einreise in die Türkei möglicherweise Repressalien bis hin zur Verhaftung drohen könnten.

Der türkische Geheimdienst hatte BND-Chef Bruno Kahl die Liste am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz übergeben. Sie enthält Namen von mehr als 300 in Deutschland lebenden angeblichen Gülen-Anhängern. In dem Papier sollen neben Einzelpersonen auch mehr als 200 angeblich der Gülen-Bewegung zuzuordnende Vereine, Schulen und andere Institutionen benannt werden.

Sorgfältige Ermittlungen nötig

Für den innenpolitischen Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer ist "nicht hinnehmbar, dass Erdogans Geheimdienst in Deutschland Andersdenkende und Regierungskritiker ausspitzeln lässt".

Bereits seit einiger Zeit ermittelt der Generalbundesanwalt wegen des Verdachts der Spionage beim Dachverband der türkischen Moschee-Gemeinden, Ditib.

Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic sagte: "Schon der Eindruck, dass hier mit staatlichem Wissen politische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht werden, untergräbt das Vertrauen in unseren Rechtsstaat." Entsprechende Ermittlungsverfahren müssten bei der Staatsanwaltschaft deshalb mit der nötigen Sorgfalt geführt werden.

Fotos heimlich aufgenommen

Das Recherchenetzwerk von "Süddeutscher Zeitung", NDR und WDR hatte berichtet, die an Kahl überreichte MIT-Liste enthalte Meldeadressen, Handy- und Festnetznummern sowie viele Fotos von Betroffenen. Eine Auswertung habe ergeben, dass etliche Fotos offenbar heimlich - etwa durch Überwachungskameras - aufgenommen worden seien.

Kahl hat Zweifel geäußert, dass die Gülen-Bewegung hinter dem Putschversuch in der Türkei im vergangenen Jahr steckt. Der Verfassungsschutz sieht das genauso: Bisher sei die Regierung in Ankara jeglichen Beweis für ihre Vorwürfe gegen die Anhänger der Gülen-Bewegung schuldig geblieben, sagte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, der Deutschen Presse-Agentur.

Auch der Auswärtige Ausschuss des britischen Parlaments bezweifelt die Putsch-Vorwürfe der türkischen Regierung gegen Gülen. Das geht aus einem Bericht hervor, der am Samstag veröffentlicht wurde.

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