Mit Internationalisierung

Chef der Wiener Börse sehr zufrieden

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2018 2,5 bis 3 Mrd. Euro Handelsvolumen mit internationalen Aktien möglich

Christoph Boschan (Bild), seit September 2016 Chef der Wiener Börse, zieht zum Jahresschluss 2017 zufrieden Bilanz über sein erstes volles Kalenderjahr. Die Handelsumsätze seien 20 Prozent im Plus, beim Leitindex gebe es eine "dramatisch gute" Entwicklung und mit der BAWAG sei der drittgrößte Börsengang Europas und der achtgrößte weltweit in Wien über die Bühne gegangen.

Boschan hob im Gespräch mit der APA die Internationalisierung der Wiener Börse besonders hervor. Mittlerweile könne man in Wien mit "fast allen europäischen Aktien" wie auch mit US-Anteilsscheinen handeln. Monatlich habe sich der Umsatz im Segment "global market" verdoppelt, bei hohen Schwankungen. Der Rekord sei bei einem Tagesumsatz von 16 Mio. Euro gelegen, obwohl erst seit Kurzem in Wien mit internationalen Papieren gehandelt werden könne. Stabilisiere sich dieser Handel bei 10 Mio. Euro täglich, käme die Wiener Börse 2018 auf einen zusätzlichen Handel von 2,5 bis 3 Mrd. Euro. Inzwischen wird in Wien intensiver mit nicht-österreichischen Aktien gehandelt als in Stuttgart - wo Boschan vor Wien tätig war - mit nicht-deutschen Papieren.

Wobei hier die aus der RHI hervorgegangene Magnesita eine große Rolle spielt. Auf das sowohl in London als auch am dritten Markt in Wien notierte Papier entfiel mehr als die Hälfte des Umsatzes mit den wichtigsten ausländischen Aktien. Insgesamt entfallen 40 Prozent des weltweiten Handels mit Magnesita-Papieren auf den dritten Markt in Wien. Hinter Magnesita kommen Apple, Alphabet (Google), Tesla und Amazon als die meistgehandelten internationalen Papiere in Wien. Internationale Papiere sind inzwischen in Wien das zweitgrößte Segment hinter dem Prime Market.

Dritter Markt als Zugpferd

Boschan setzt große Hoffnung in den dritten Markt. "Wir haben mit dem dritten Markt durchaus zeigen können, dass Österreich eine funktionierende KMU-Börse hat". Es habe hier, weitgehend unbeachtet, ein halbes Dutzend Börsengänge gegeben - allerdings von ausländischen Firmen, aus Italien, der Schweiz und Deutschland. "Man muss sie nur für die heimischen Unternehmen zulassen", kritisiert Boschan. Es gebe zwei bis drei österreichische Kandidaten, die "sofort" den Markt anzapfen würden, sogar Absichtserklärungen (Letter of Intent) abgegeben haben und "nicht die kleinsten" seien, aber rasch neue Regeln brauchen.

Das große Problem: Österreich lässt am dritten Markt - für österreichische Unternehmen - nur Namensaktien und keine Inhaberaktien zu. Selbst das "wäre überhaupt kein Problem, wenn es ein entsprechendes Register gäbe" - das aber nicht existiere. Die Börse würde so ein Register sogar selber erstellen, brauche dafür aber legistische Unterstützung. Deutschland lasse "im Wesentlichen" Inhaberaktien zu, die österreichische Regelung ist aus Boschans Sicht "eine Selbstbeschränkung Österreichs, angeblich aus den Diskussionen mit der internationalen Anti-Geldwäscheeinheit" (FATF). Angesichts der Umsätze im dritten Markt sei das Argument "weit entrückt". Im regulierten Markt seien Inhaberaktien unverändert zulässig, ausgerechnet im Zugangssegment nicht. "Da hat man sich selbst kastriert."

"Börsenkurs entscheiden alleine die Investoren"

Boschan will auch nichts davon wissen, dass die Wiener Börse an Börsengängen oder gar den Börsenkursen einzelner Titel gemessen wird. "Die Entwicklung eines Börsenkurses kann und darf mich nicht interessieren, das entscheiden alleine die Investoren", sagt er, auf den Kursverfall der BAWAG seit ihrem Börsengang angesprochen. "Die Börsendienstleistung besteht in der Visibilität und der Liquidität."

Boschan vergleicht den Börsengang der BAWAG in Wien mit jener von Pirelli in Mailand, die bei Emissionsvolumen, Streubesitz und Marktkapitalisierung ähnlich gewesen sei: Der Vergleich zeige, dass die Wiener Börse um ein Fünftel liquider sei als Pirelli in Mailand. "Das ist, was für uns den Börsengang erfolgreich macht."

Aktiv ist die Wiener Börse auch beim Listing von Internationalen Anleihen, zunächst insbesondere aus Irland und Italien. Deren Kunden konnte man am leichtesten mit dem Service in Wien überzeugen. Die Wiener Börse habe einen Europa-Vergleich angestellt und das Ergebnis sei: "Wir sind die billigsten, wir sind die schnellsten und wir sind mit Abstand die Service-Orientiertesten", so Boschan.

Heuer kamen in Wien 79 Unternehmensanleihen mit einem Gesamtvolumen von 13,8 Mrd. Euro dazu, darunter 19 (2,65 Mrd. Euro) von österreichischen Firmen. Inklusive Financial Bonds und Staatsanleihen seien in Wien über 3.500 Schuldverschreibungen gelistet, knapp 1.000 davon seien heuer dazugekommen. Das sei einerseits neuen Kapitalmarktregeln (MiFID II), andererseits der Service-Orientierung der Wiener Börse zu verdanken. Inklusive strukturierter Produkte und Exchange Traded Funds (ETFs) sind aktuell über 12.000 Wertpapiere handelbar. Der historische Höchststand wurde am 31. Mai 2017 mit 14.280 Wertpapieren erreicht.
 

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