Gemischte Reaktionen

EZB-Geldschwemme: Das sagen Ökonomen

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Heimische und internationale Experten beurteilen die Geldpolitik der EZB.

Die gestrigen  geldpolitischen Entscheidungen der Europäischen Zentralbank  (EZB) werden von heimischen Ökonomen auf Twitter gemischt beurteilt. Für IHS-Chef Martin Kocher ist die Wiederaufnahme des Anleihenkaufprogramms ohne Enddatum ein "falsches Signal". Die Forward Guidance mache aber "angesichts der Lage Sinn", schrieb Kocher.

Unter Forward Guidance versteht man Kommentare einer Notenbank zur längerfristigen Ausrichtung der Geldpolitik. Dies soll den Märkten Orientierung über die nächsten geldpolitischen Schritte geben. Im aktualisierten Ausblick von gestern gab die EZB bekannt, ihre Schlüsselzinsen solange auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau halten zu wollen, bis das Inflationsziel von knapp zwei Prozent in Reichweite gelangt ist. Bisher stellten die Währungshüter bis Mitte 2020 stabile oder niedrigere Schlüsselsätze in Aussicht.

Fiskalpolitische Maßnahmen gefordert

Bis die Inflation wieder anzieht, könnte es aber laut den aktuellen Prognosen der EZB noch dauern. Denn für das laufende Jahr senkten die EZB-Ökonomen ihre Schätzung auf 1,2 (bisher 1,3) Prozent. Für 2020 wird ein Anstieg der Verbraucherpreise von 1,0 (bisher 1,4) Prozent erwartet, für 2021 von 1,5 (bisher 1,6) Prozent. Auch beim Wachstum sind die Währungshüter nun etwas pessimistischer. Für die Eurozone erwarten sie in diesem Jahr ein Wachstum um 1,1 (zuvor: 1,2) und für 2020 um 1,2 (zuvor: 1,4) Prozent.

"Auch wenn ich selbst die negativen Zinsen für einen Fehler halte, die wahren Fehler liegen bei den fehlenden fiskalischen Impulsen und nicht bei der EZB", kommentierte Bank Austria-Chefökonom Stefan Bruckbauer die EZB-Entscheidungen auf Twitter. Bei permanent negativen Zinsen gebe es für "Regierungen keinen Grund für eine langfristige Strukturreform ihrer Haushalte", so RBI-Chefökonom Peter Brezinschek. Die über BIP-Wachstum sprudelnden Einnahmen - etwa in Deutschland, Österreich - seien für monetäre Sozialtransfers und nicht für öffentliche Investitionen verwendet worden.

Auch für die Analysten der niederländischen ING Bank ist klar, dass Draghis letztes Maßnahmenpaket vor seiner Amtsübergabe an Christine Lagarde ohne gleichzeitige fiskalpolitische Maßnahmen nicht zu einem "happy end" führen wird. Commerzbank-Ökonom Michael Schubert glaubt ebenfalls nicht, dass die Maßnahmen der EZB der Realwirtschaft noch helfen werden.

>>>Nachlesen:  EZB macht Geldschleusen weiter auf

Strafzinsen für Banken erhöht

Die EZB hat am gestrigen Donnerstag ihren Einlagenzins für Banken von minus 0,4 Prozent auf minus 0,5 Prozent gesenkt. Gleichzeitig soll eine Staffelung des Zinssatzes eingeführt werden, um die Folgen der Zinssenkung für die Kreditinstitute abzufedern. Geplant ist laut EZB ein zweistufiges System. Ein Teil der Überschussliquidität der Banken soll so ähnlich wie in der Schweiz und in Japan von den Strafzinsen ausgenommen werden. Die Zentralbank hat aber nicht nur an der Zinsschraube gedreht. Auch die erst Ende 2018 gestoppten umstrittenen Anleihenkäufe sollen wieder aufgenommen werden. Ab November sollen pro Monat neue Zukäufe im Umfang von 20 Mrd. Euro hinzukommen. Die Käufe sollen erst dann gestoppt werden, wenn die EZB kurz vor einer Zinserhöhung steht.

Das Limit dürfte damit aber noch nicht zur Gänze erreicht sein. Bei der Commerzbank wird damit gerechnet, dass die EZB mit dem Ziel, das Wachstum und die Inflation weiter anzukurbeln, im Frühling noch einmal nachlegt und den Einlagenzins auf minus 0,6 Prozent senkt sowie das Anleihenkaufprogramm auf 30 Mio. Euro monatlich ausweitet.

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