Bilanz-Skandal

Wirecard: Die Milliarden existieren gar nicht

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1,9 Mrd. Euro auf vermeintlichen Treuhandkonten in Asien existieren laut Unternehmensmitteilung mit "überwiegender Wahrscheinlichkeit" nicht.

Der Bilanzskandal beim deutschen Zahlungsdienstleister Wirecard hat sich dramatisch zugespitzt. Die verschwundenen 1,9 Mrd. Euro auf vermeintlichen Treuhandkonten in Asien existierten mit "überwiegender Wahrscheinlichkeit" nicht, teilte der Dax-Konzern in der Nacht zum Montag mit.
 
Die vorläufigen Ergebnisse des vergangenen Geschäftsjahres sowie die Prognosen für 2020 und darüber hinaus seien daher nicht mehr zu halten. Das Unternehmen prüfe nun Kostensenkungen, einen Umbau sowie den Verkauf oder die Einstellung von Firmenteilen und Produkten.
 

Bilanz-Skandal

Der Finanzkonzern, der für Händler und Kunden Zahlungen in Online-Shops und an Ladenkassen abwickelt musste vergangene Woche seinen Jahresabschluss 2019 zum vierten Mal verschieben, weil die Wirtschaftsprüfer von EY ein 1,9 Milliarden Euro schweres Loch in der Bilanz gefunden hatten. Die Wireceard-Aktien stürzten in die Tiefe, der langjährige Vorstandschef, der Österreicher Markus Braun, trat zurück und ein weiterer Vorstand wurde suspendiert. Das Problem für Wirecard ist nun, dass Banken eine Kreditlinie kündigen können und Wirecard das Geld zurückzahlen müsste.
 
Wirecard stehe in "konstruktiven Gesprächen" mit seinen Banken hinsichtlich der Fortführung der Kreditlinien und der weiteren Geschäftsbeziehung, teilte das Unternehmen mit Sitz in Aschheim bei München mit. Die Investmentbank Houlihan Lokey prüfe Möglichkeiten für eine nachhaltige Finanzierungsstrategie. Wirecard betonte darüber hinaus, die Systeme des Konzerns liefen ohne Einschränkung. Zu dem Konzern gehört auch die Wirecard Bank, die eine Vollbanklizenz hat und sämtliche Finanzdienstleistungen anbieten darf.
 
 Die Hoffnung auf ein Stillhalten der Banken wurde von einem Zeitungsbericht gestützt: Wie die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" berichtete, wollen die Banken das Unternehmen nicht fallen lassen. "Keiner hat ein Interesse daran, den Kredit zu kündigen", hieß es demnach am Samstag aus einem der beteiligten Geldhäuser. "Alle wollen jetzt das Ding kurzfristig stabilisieren." Aus dem Umfeld von Wirecard hieß es dem Bericht zufolge, man hoffe auf eine Einigung bis Ende kommender Woche. Zudem will Wirecard Schritte prüfen, das Geschäft fortzuführen. Darunter seien Kostensenkungen sowie Umstrukturierungen, Veräußerung oder Einstellungen von Unternehmensteilen und Produktsegmenten. Die IT Systeme von Wirecard liefen ohne Einschränkungen, hieß es weiter. Doch Wirecard muss jetzt auch damit rechnen, dass die Kunden angesichts des Vertrauensverlustes das Weite suchen.
 
Der Konzern war bis Donnerstag davon ausgegangen, dass die nun fehlenden 1,9 Milliarden Euro - ein Viertel der Bilanzsumme - auf Konten über einen Treuhänder bei Banken in Asien angelegt sind. Die Verlässlichkeit dieser Treuhandbeziehung werde nun infrage gestellt, erklärte die Gesellschaft. Der Vorstand gehe davon aus, dass die bisherigen Beschreibungen des sogenannten Drittpartnergeschäfts unzutreffend seien. Man untersuche, ob, in welcher Art und Weise und in welchem Umfang das Geschäft tatsächlich zugunsten von Wirecard geführt worden sei.
 
Verschiedene Medien, vor allem die "Financial Times", hatten Wirecard in den vergangenen Monaten mehrfach die Manipulation von Bilanzen vorgeworfen. Ex-Firmenchef Braun hatte dies stets bestritten. Eine durch den Aufsichtsrat in Auftrag gegebene Sonderprüfung durch KPMG sollte die Vorwürfe entkräften, die Prüfer fanden aber schwerwiegende Mängel bei internen Kontrollen sowie Hinweise darauf, dass es Unregelmäßigkeiten im Geschäft mit den Drittpartnern geben könne. Die Prüfer von EY, die nun den Jahresabschluss 2019 testieren sollten, hatten vergangenen Donnerstag erklärt, Dokumente zu Geldern auf Treuhandkonten bei Banken in Asien seien offenbar gefälscht worden.
 
Die philippinische Bank BPI suspendierte in diesem Zusammenhang nach eigenen Angaben einen Mitarbeiter. Bei der Konkurrentin BDO hieß es, es sehe alles danach aus, dass einer ihrer Marketingmitarbeiter ein Bankzertifikat gefälscht habe. Die philippinische Zentralbank hatte am Sonntag erklärt, die Wirecard-Milliarden seien nicht in ihrem Finanzsystem gelandet. Die Namen der zwei größten Finanzhäuser des Landes würden benutzt, um "die Spur der Täter zu verwischen". Sie werde aber Nachforschungen anstellen.
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