Kärntner Ärztin als Seenothelferin

"Wir retten Menschen vor dem Ertrinken"

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Kärntnerin stieß nach dem Studium zu den Rettern: 'Das war eine Spontanentscheidung.'

Villach/Malta. Marianne P. (25), angehende Ärztin aus Kärnten, ist Mitglied der ­Besatzung der „Alan Kurdi“, eines Rettungsschiffs im Mittelmeer: „Menschen ertrinken zu lassen, bedeutet moralisches Versagen“, ist das Leitmotiv der Medizinerin. Bei zwei Fahrten rettete die Crew der bayerischen Hilfsorganisation Sea-Eye 109 Menschen. In ÖSTERREICH sagt sie, warum sie auf dem Rettungsschiff anheuerte.

ÖSTERREICH: Wie stießen Sie zum Team?

Marianne P.: Ich habe in München Medizin studiert und auf Facebook gesehen, dass Sea-Eye Helfer für die Arbeit auf der „Alan Kurdi“ sucht. Ich habe mich gemeldet, sie haben mich genommen.

ÖSTERREICH: Und dann?

P.: Ist es losgegangen. Bei der ersten Mission haben wir 44 Menschen aufgenommen, bei der zweiten 65. Erst wollten wir die Menschen nach Lampedusa bringen, doch Italiens Innenminister Salvini verweigerte. Deshalb sind wir nach Malta, wo wir an Land durften.

ÖSTERREICH: Sie hätten, wie Kapitänin Carola Rackete, verhaftet werden können …

P.: Grundsätzlich weiß jeder, der auf so ein Schiff geht, dass die Sicherheitslage ein kritisches Thema ist. Auch hätte eine Verhaftung Auswirkung auf mein späteres Berufsleben. Die Strafan­drohung hält aber keinen ab. Es ertrinken Menschen, da darf man nicht abwägen.

ÖSTERREICH: Alt-Kanzler Kurz sieht das kritischer …

P.: Ich finde es sehr traurig, dass ein so junger Mensch eine so konservative Ein­stellung vertritt.

ÖSTERREICH: Die Flüchtlinge gehen ein enormes Risiko ein. Ist das den Menschen bewusst?

P.: Ja, sie wissen, dass sie sterben können. Aber das Grauen in den Camps in Li­byen ist so groß, dass sie ­dieses enorme Risiko ein­gehen. An Bord hörst du von ihnen die heftigsten Schilderungen über Folterungen, Versklavungen, sexueller Ausbeutung, es ist grausam.

ÖSTERREICH: Aus welchen Ländern kamen die Flüchtlinge, die ihr gerettet habt?

P.: Somalia, Elfenbeinküste, Südsudan, Guinea. Der Jüngste war neun, die meisten sind zwischen 14 und 15 Jahre jung. Nach Tagen ohne Sonnenschutz auf See waren sie dehydriert, müde, kaputt. Medizinische Notfälle hatten wir drei.

(wek)

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