Prozess in Krems

Holocaust-Leugner erneut vor Gericht

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Der ehemalige FPÖ-Bezirksrat soll die Existenz von Gaskammern während der NS-Zeit bestritten haben.

Ein Holocaust-Leugner stand am Montag erneut in Krems vor Gericht. Der in Stein inhaftierte einstige Wiener Bezirksrat - er wurde 1994 aus der FPÖ ausgeschlossen - soll laut Anklage in Schriftstücken u. a. an den Justizminister und Richter die Existenz von Gaskammern während der NS-Zeit geleugnet und behauptet haben, es sei unmöglich, dass das Nazi-Regime sechs Millionen Juden ermordet habe.

Der 66-Jährige musste sich wegen Paragraf 3h Verbotsgesetz verantworten, er weist nach Gerichtsangaben fünf einschlägige Verurteilungen auf. Dem Wiener werden von Oktober 2016 bis Juli 2017 verschickte Briefe sowie Eingaben bei Gerichten und Staatsanwaltschaften vorgeworfen.

"Unzählige" Briefe

Der Angeklagte leugne den Holocaust, sagte die Staatsanwältin. "Eine Lüge", reagierte der 66-Jährige mehrmals während des Eröffnungsvortrags, was ihm eine Verwarnung des Richters einbrachte. Laut Vertreterin der Anklagebehörde handle es sich beim gebürtigen Kärntner um "einen Serientäter, einen Rückfalltäter", der wegen des Verbotsgesetzes insgesamt mehr als 13 Jahre Haft erhalten habe. Seine letzte Verurteilung - drei Jahre unbedingt - sei im Februar 2016 rechtskräftig geworden. Im Oktober 2016 habe er wieder "unzählige" Briefe und Eingaben mit Hunderten Beilagen an verschiedenste Personen und Institutionen verschickt.

In seinen Schreiben spreche der Mann von "Propagandalügen", sagte die Staatsanwältin. Er berief sich laut Anklage auf statistische Beilagen, wonach etwa "ab dem Jahr 1939, dem Beginn des sogenannten Holocausts an den Juden, die jüdische Weltbevölkerung angestiegen ist", wie zu lesen war. Er habe von einem "Mythos vom Völkermord" und einer "Mauthausen-Betrüger-Clique" geschrieben, führte die Staatsanwältin aus.

Briefe richteten sich laut Anklage an die 183 Parlamentsabgeordneten samt Präsidium des Nationalrates, das Justizministerium und die Richterschaft der Landesgerichte Krems, St. Pölten, Korneuburg, Linz und Wels. Dazu kamen zahlreiche Eingaben an Gerichte in Niederösterreich, Wien und Oberösterreich, an die Generalprokuratur, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sowie an das Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung im Innenministerium.

Aus FPÖ ausgeschlossen

Verteidiger Wolfgang Blaschitz verwies auf Ergebnisse von zwei Gutachten eines Sachverständigen, wonach der Angeklagte nicht zurechnungsfähig sei und nicht für seine Taten bestraft werden könne. Der 66-Jährige sei "weder gefährlich noch liegt eine Anlasstat vor, die es rechtfertigen würde, hier mit einer entsprechenden Maßnahme vorzugehen". Sein Mandant werde freizusprechen sein, sagte der Rechtsanwalt.

Der 66-Jährige war im Februar 1994 aus der FPÖ ausgeschlossen worden, weil er von einer "multikulturellen Bastardisierung der Gesellschaft" gesprochen hatte. Als beim Landesgericht Wien ein Verfahren wegen NS-Wiederbetätigung gegen ihn anhängig war, tauchte er ab Mai 2000 jahrelang unter. Seit 2003 ist der Akademiker bereits mehrmals wegen Verbrechen nach dem Verbotsgesetz vor Gericht gestanden.

Geschworene gingen in Beratung

Im Prozess nach dem Verbotsgesetz am Montag in Krems haben sich die Geschworenen am späten Vormittag zur Beratung zurückgezogen. Der 66-Jährige leidet laut einem Gutachter an einer wahnhaften Persönlichkeitsstörung und ist nicht zurechnungsfähig. Die Staatsanwältin beantragte die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Verteidiger Wolfgang Blaschitz sprach sich dagegen aus.

Im Paragrafen 3h Verbotsgesetz sei ausdrücklich festgehalten, dass die Freiheit der Wissenschaften gewahrt bleibe, sagte der 66-Jährige: "Ich habe einen akademischen Eid geleistet, und den werde ich nicht brechen." Er verwies auf sein Anfang der 1990er-Jahre verfasstes Gutachten mit dem Titel "Naturgesetze versus Gaskammern". Demnach hätten mit dem Gas Zyklon B keine Gaskammern betrieben werden können. "Es ist nicht möglich, also kann es nicht passiert sein", sagte der Mann und forderte eine Prüfung seines Gutachtens.

"Wenn man einiges infrage stellt, heißt es gleich, man stellt den ganzen Völkermord infrage", meinte der Akademiker, der seinen Angaben zufolge Physik und Verfahrenstechnik studiert hat. "In Mauthausen ist die Gaskammer nach dem Krieg errichtet worden", sagte er, trotzdem würde man seit Jahrzehnten Kinder dorthin "schleppen" und ihnen "falsche Gaskammern" zeigen. Zu seinen bisherigen fünf einschlägigen Verurteilungen meinte der 66-Jährige: "Man hat die Geschworenen fünf Mal hintereinander falsch informiert."

"Würden Sie sich selbst als Antisemit bezeichnen?", wollte Verteidiger Wolfgang Blaschitz von seinem Mandanten wissen. "Natürlich nicht", lautete die Antwort.

Laut Gutachter zurechnungsunfähig

Einem Gutachter zufolge ist der 66-Jährige zurechnungsunfähig. Aufgrund einer geistig-seelischen Abartigkeit höheren Grades erlebe er einen inneren Zwang, seine Thesen weiterhin zu vertreten. Der Mann gehe davon aus, dass er seit 25 Jahren verfolgt werde, er spreche von einer "Mauthausen-Clique", die sich bereichern wolle. Laut dem 66-Jährigen wäre die ganze "Vermarktung" von Mauthausen hinfällig, wenn es keine Gaskammern gegeben hätte, sagte der Psychiater. Eine Zuhörerin wurde daraufhin aufgrund eines Zwischenrufes des Saales verwiesen.

Der Sachverständige hatte den Mann das erste Mal im Februar 2015 begutachtet. Diese Persönlichkeitsstörung habe sich "psychodynamisch weiterentwickelt" und betreffe nun den gesamten Lebensvollzug des 66-Jährigen, sodass er "diese Idee mit allen Kräften verfolgt". Der Mann werde weiterhin derartige Schreiben verfassen, von Gewalttaten sei nicht auszugehen, sagte der Gutachter.

Die Staatsanwältin stellte einen Antrag auf Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Verteidiger Wolfgang Blaschitz meinte hingegen, die Voraussetzung für eine Einweisung sei nicht gegeben: "Nicht jeder, der eine Wahnvorstellung hat, ist als gefährlich einzuschätzen."

"Kein Verstoß gegen Verbotsgesetz"

Nach der Verlesung der Fragen an die Geschworenen meldete sich der 66-Jährige zu Wort. "Keiner dieser Briefe ist ein Verstoß gegen das Verbotsgesetz", sagte er.

Der Mann habe auch nach dem von der Anklage umfassten Zeitraum weitere derartige Schreiben verfasst, "er macht weiter und wird immer weitermachen", sagte die Staatsanwältin. "Natürlich ist das, was dem Angeklagten zur Last gelegt wird, eine Anlasstat", hielt sie fest, und betonte: "Der Rechtsstaat wird massiv erschüttert und gestört, wenn massenhaft derartige Theorien verbreitet werden", das sei ein "Schlag ins Gesicht für jeden Hinterbliebenen und den Rechtsstaat". Die Staatsanwältin appellierte an die Geschworenen, "das Andenken, die Menschlichkeit und unseren Rechtsstaat" zu schützen.

Der Verteidiger meinte, die erste Hauptfrage sei zu verneinen. Eine Verurteilung scheitere an der fehlenden Öffentlichkeit durch die verschickten Schriftstücke. Blaschitz verwies auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung und der Wissenschaft. Die Ausführungen seines Mandanten würden eine wissenschaftliche Befassung mit dem Thema darstellen. Eine Gefährlichkeit liege nicht vor, sprach er sich außerdem gegen eine Einweisung aus.

"Ich habe es eingesehen, dass ich so nicht weiterkomme", sagte der 66-Jährige in seinem Schlusswort: "Ich stoße auf taube Ohren." Damit sei die Sache für ihn eigentlich abgeschlossen, meinte er.

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