Bures und Co. sagen ab

Niemand will Kern-Nachfolger werden

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Die Suche nach einem Nachfolger für Christian Kern gestaltet sich schwierig.

Christian Kern verabschiedet sich nach Brüssel und hinterlässt der SPÖ ein veritables Personalproblem. Denn keiner der drei meist genannten Nachfolgekandidaten will das Amt übernehmen. Für die Entscheidungsfindung nimmt man sich Zeit. Erst bis 15. Oktober muss feststehen, wer beim auf Ende November verlegten Parteitag kandidieren soll.
 
Video zum Thema: SPÖ-Chef "flüchtet" nach Brüssel
 
Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, der vermutlich die breiteste Akzeptanz in der Partei hätte, macht am Mittwoch vor den Parteigremien noch einmal klar, nicht zur Verfügung zu stehen. Er habe bei der Landtagswahl versichert, für die komplette Legislaturperiode in Kärnten zu bleiben und dazu stehe er auch.
 

Doskozil will im Burgenland bleiben

Praktisch gleich argumentierte der designierte burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, vermutlich Wunschkandidat des rechten Parteiflügels. Seine Kür zum SPÖ-Landeschef sei erst vor gut einer Woche erfolgt, da sei es eine Frage der Glaubwürdigkeit im Burgenland zu bleiben. Ein wenig anders klang da schon sein Förderer Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ). Der konnte sich Doskozil durchaus auch in führender bundespolitischer Rolle vorstellen. Die Entscheidung müsse er aber selber treffen.
 
Ein deutliches Statement setzte gleich in der Früh die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ), gestern noch als Favoritin für den Vorsitz gehandelt. Vor Beginn der Sitzung des von ihr geleiteten BVT-Untersuchungsausschusses erklärte sie, für das Amt nicht zur Verfügung zu stehen und sich auf ihre parlamentarischen Aufgaben zu konzentrieren. Dementsprechend blieb sie auch Präsidium und Vorstand fern und leitete die Befragungen im BVT-Ausschuss.
 

Ludwig noch vorsichtig

Freilich glauben manche, dass all diese Absagen nicht 100-prozentig ernst zu nehmen sind. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, dem eine Schlüsselrolle bei der Kür zufallen wird, ging davon aus, dass die von der Partei für am geeignetsten befundene Person die Aufgabe dann auch übernehmen werde. Als einzige der kolportierten Anwärter zunächst nicht aus dem Spiel nahm sich die frühere Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner, der allerdings ihre geringe Verankerung in der Partei zu schaffen machen könnte.
 
Formal wird die Koordinierung bei der Suche nach der oder dem Neuen dem "Alten" obliegen. Christian Kern soll "im Wechselspiel mit dem Parteipräsidium" eruieren, wer die SPÖ in eine erfolgreiche Zukunft führen könnte. Spätestens Mitte Oktober, vermutlich aber ein wenig früher, soll der neue Name an der Spitze feststehen.
 
Selbstbewusstsein hat Kern, der von den Gremien mit zwei Gegenstimmen zum EU-Listenersten der SPÖ bestimmt wurde und auch für die europäischen Sozialdemokraten die Spitzenkandidatur anstrebt, jedenfalls nicht eingebüßt. Er lobte sich am Mittwoch dafür, dass die SPÖ entgegen den Erwartungen seit der verlorenen Wahl sogar zugelegt habe und er fertige Partei- und Statutenreformen hinterlassen habe. Dass er geht, begründete er einerseits mit der Bedeutung der Europawahl, andererseits damit, dass er nicht der idealtypische Oppositionspolitiker sei: "Das ist nicht meine Sache mit dem Bi-Hander auf Leute einzudreschen." Er habe sich andere Umgangsformen erworben.
 

Keine direkten Vorwürfe an Kern

Dass die Art des Abgangs zumindest kommunikativ nicht gerade optimal verlaufen ist, gestand sogar Bundesgeschäftsführer Max Lercher zu. Landeshauptmann Kaiser erkannte Verunsicherung in der Partei, die gestrigen Ereignisse seien gelinde gesagt unkoordiniert gewesen. Direkten Vorwurf machte Kern niemand, Kaiser machte aber deutlich, dass er sich eine andere Art der Übergabe gewünscht hätte. "Nach dem gestrigen kommunikationsstrategischen Desaster war es wichtig, heute die Handlungsfähigkeit inklusive den notwendigen Beschlüssen für die Zukunft der Bundes-SPÖ unverzüglich wieder herzustellen", teilte er nach den Gremiensitzungen mit.
 
Viel deutlicher wurde Alt-Kanzler Franz Vranitzky: "So kann man sich nicht verhalten, so kann man nicht abtreten", urteilte der langjährige SPÖ-Vorsitzende.
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