Wiens Klage abgeschmettert

VfGH: Rauchen in Lokalen weiter erlaubt

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Der Antrag der Wiener Landesregierung wurde abgewiesen.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat mit Erkenntnis von heute, Dienstag, den Antrag der Wiener Landesregierung zum Tabak- und Nichtraucherschutzgesetz in der seit 1. Mai 2018 geltenden Fassung abgewiesen. Bei einer Raucherlaubnis in der Gastronomie sei der rechtspolitische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nicht überschritten, argumentierte der VfGH in einer Aussendung.

Rauchverbot kommt aber trotzdem

Das Rauchverbot in der Gastronomie kommt aber trotzdem, und zwar per 1. November 2019. Die ÖVP bleibe "natürlich" bei ihrer kürzlich gefundenen Linie, eine entsprechende Initiative im Parlament zu unterstützen, sollte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) die von ÖVP und FPÖ beschlossene Erlaubnis nicht aufzuheben, hieß es auf APA-Anfrage im ÖVP Klub. Dies ist ja nun geschehen.

SPÖ, NEOS und Liste JETZT haben sich schon in der Vergangenheit für das Verbot eingesetzt, die ÖVP war erst nach dem Aus der türkis-blauen Koalition darauf eingeschwenkt. Es sei schon alles ausverhandelt, wurde im ÖVP-Klub erklärt, beschlossen werde das Verbot daher schon in der Juli-Plenarwoche des Nationalrats. In Kraft treten soll es dann im November.
 

Wien klagte am VFGH

Die Wiener Landesregierung hatte die Aufhebung von Bestimmungen beantragt, die für "Räume der Gastronomie" eine Ausnahme vom allgemeinen Rauchverbot an öffentlichen Orten vorsehen. Der Antrag wurde damit begründet, dass diese Bestimmungen gegen mehrere Grundrechte verstoßen würden, vor allem gegen den Gleichheitsgrundsatz, das Recht auf Achtung des Privatlebens sowie das Recht auf Leben. Im Besonderen machte die Wiener Landesregierung eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern verschiedener Betriebe sowie eine Verletzung des Vertrauensschutzes der Gastronomen geltend.

In Bezug auf den Arbeitnehmerschutz hält der VfGH fest, dass die Rechtsordnung in vielfachem Zusammenhang menschliche Verhaltensweisen akzeptiert, "die auf die eine oder andere Weise (auch erhebliche) negative Auswirkungen für andere Menschen oder die Allgemeinheit haben können, weil der Gesetzgeber den Freiheitsgewinn höher bewertet als die nachteiligen Folgen". Im demokratischen Rechtsstaat sei es die Aufgabe des Gesetzgebers, hier die Freiheit der einen mit der Schutzbedürftigkeit der anderen und mit den öffentlichen Interessen in Einklang zu bringen.

Dem Gesetzgeber ist auch nicht entgegenzutreten, so der VfGH weiter, wenn er Räume, in denen Speisen und Getränke verabreicht werden, im Hinblick auf den Konsum von Tabakwaren anders behandelt als öffentliche Räume, die anderen Zwecken dienen. Als sachlich begründbar erachtet der VfGH auch die bekämpfte Unterscheidung zwischen kleinen Gastronomiebetrieben, die vom Rauchverbot ausgenommen sind, und größeren Betrieben, die verpflichtet sind, einen rauchfreien Hauptraum einzurichten. Diese Regelung entspreche dem Anliegen, Wettbewerbsnachteile für kleine Betriebe zu vermeiden.

Auch Bedenken hinsichtlich des Vertrauensschutzes von Gastronomen teilt der VfGH nicht. Der Gerichtshof hält es zwar für möglich, dass sich Gastronomiebetreiber veranlasst gesehen haben, die im Jahr 2015 beschlossene Neuregelung des Rauchverbotes bei ihren Entscheidungen über die räumliche Gestaltung von Gastronomiebetrieben zu berücksichtigen. Dass mit dieser Neuregelung gezielt ein Anreiz zu erheblichen Investitionen geschaffen werden sollte, ist für den Gerichtshof "nicht erkennbar".
 

Absolutes Rauchverbot lässt sich nicht aus EMRK ableiten

Ein absolutes Rauchverbot in der Gastronomie lasse sich auch nicht aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ableiten, in der die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Leben gewährleistet werden. Den Mitgliedsstaaten der EMRK (und damit auch Österreich) kommt dem VfGH zufolge bei der Bewertung der gesellschaftlichen Entwicklung dahin, in welchem Ausmaß der Konsum von Tabakwaren als sozialadäquat toleriert wird, derzeit noch ein Beurteilungsspielraum zu.

Einen weiteren, von zwei Gastronomiebetrieben und zwei Nichtrauchern - Vater und Tochter - gemeinsam eingebrachten Antrag hat der VfGH als unzulässig zurückgewiesen. Dieser Antrag war nämlich nicht gegen alle für Gastronomiebetriebe maßgeblichen Ausnahmebestimmungen des Tabak- und Nichtraucherschutzgesetzes gerichtet und erwies sich damit als zu eng gefasst.

Das allgemeine Rauchverbot in der Gastronomie dürfte aber dennoch kommen. Hatte die Ende Mai entlassene ÖVP-FPÖ-Regierung sich auf eine Rücknahme des an sich bereits beschlossenen absoluten Rauchverbots geeinigt und damit fast 900.000 Unterzeichner des "Don't Smoke"-Volksbegehrens außen vor gelassen, lenkte die ÖVP nach dem Ende der Koalition mit der FPÖ ein. Grundsätzlich hat man sich mit den Oppositionsparteien auf ein Agreement verständigt, dass das Verbot mit 1. November in Kraft treten kann.
 

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