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Der Enkel des letzten Kaisers im Interview

Habsburg über Asyl, Corona & ein Polit-Comeback

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Der Medienunternehmer mit kaiserlichem Background hält nichts vom Sisi- und Franzl-Kitsch: Karl Habsburg hat klare politische Vorstellungen.

Die Antworten überraschen in ihrer Deutlichkeit – das Familienoberhaupt der Habsburger redet nicht herum, der Medienconsultant spricht offen über seine Vorstellungen zur Europapolitik, rüffelt das Fehlen von Führungspersönlichkeiten auf europäischer Ebene und stellt sich in der aktuellen Migrationsdebatte klar auf die Seite des Bundeskanzlers und der ÖVP. Ebenso interessant: Karl Habsburg sieht die Monarchie keineswegs als Staatsform der Vergangenheit: „Monarchien sind nach wie vor eine Realität. Sie spielen ihre Rolle, und das werden sie auch in der ­Zukunft tun.“

Der Großvater musste 1918 
auf die Kaiserkrone verzichten

Das geschichtliche Erbe des Habsburgers ist gewaltig groß: 800 Jahre stellte seine Familie Hunderte Herrscher in Europa, sein Vater Otto von Habsburg (1912 bis 2011) war der Sohn von Österreichs letztem Kaiser, Karl (1887 bis 1922) – er hatte die Thronfolge von Kaiser Franz Josef I. (1830 bis 1916) übernommen. Karl I. wurde am 11. November 1918 dazu gedrängt, „auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften“ zu verzichten.

Das jetzige Familienoberhaupt der Habsburger, Karl, lebt meist in Anif bei Salzburg und ist als Präsident der österreichischen Paneuropa-Bewegung sehr aktiv. Der Vater von drei erwachsenen Kindern stieg schon vor Jahren in das Medienbusiness ein und ist Miteigentümer von TV- und Radiostationen in den Niederlanden und in Osteuropa. Und Habsburg könne sich eine Beteiligung an einem Medienprojekt in Österreich „natürlich vorstellen“ – lesen Sie hier das ganze Interview weiter.

Karl Habsburg
© APA/WERNER KERSCHBAUMMAYR
× Karl Habsburg

Habsburg zu Migration: "Wir führen hier eine parteipolitische Scheindebatte"

INSIDER: Als Präsident der Paneuropa-Bewegung setzen Sie sich für ein friedliches und politisch ­geeintes Europa ein – wie weit sind wir Europäer im Herbst 2020 davon entfernt?

KARL HABSBURG: Bei allen Spannungen, die es auch innerhalb der EU heute gibt, haben wir es geschafft, innereuropäische Spannungen bei Konferenzen und nicht mehr auf dem Schlachtfeld auszutragen. Das ist ein Erfolg, der aber nicht verschleiern sollte, dass es in vielen Bereichen Probleme gibt, die zeigen, dass die politische Einigung Europas noch in weiter Ferne liegt. Damit meine ich sowohl die nach wie vor nicht abgeschlossene Inte­gration aller europäischen Länder in die EU als auch viele Meinungsverschiedenheiten im Bereich der Rechtsstaatlichkeit oder einer gemeinsamen Außenpolitik.

INSIDER: Sie sind beruflich oft in osteuropäischen Staaten. Wie beurteilen Sie die politische Entwicklung in der Ukraine und in Bulgarien?

HABSBURG: Bulgarien hat bei allen innenpolitischen Spannungen den Vorteil, in der EU zu sein und damit in einer Partnerschaft, für die gemeinsame Grundwerte gelten. Das gibt für alle Beteiligten eine Orientierung in der Problemlösung. Und Bulgarien wurde nicht, wie die Ukraine, von einem Nachbarland mit einem Krieg überfallen. Wir sehen in beiden Ländern alte, korrupte Seilschaften, die ihr Unwesen treiben, wir sehen aber auch in beiden Ländern ein starkes Engagement von vielen Teilen der sogenannten Zivilgesellschaft für Demokratie, Marktwirtschaft und Rechtsstaatlichkeit. Das gilt es zu unterstützen.

INSIDER: Die Paneuropa-Bewegung befürwortet in ihrem Programm „ein selbstbewusstes Handeln der Europäischen Union“. Wie sehr fehlt der EU-Führung dieses Selbstbewusstsein aktuell?

HABSBURG: Das Problem der EU ist die fehlende politische Führung. Mit politischer Führung meine ich eine eigenständige, tatsächlich europäische Außenpolitik. Momentan dominieren zu sehr die nationalegoistischen Bestrebungen. Uns fehlen die europäischen politischen Persönlichkeiten, denen man bei ihren Lösungsvorschlägen auch glauben kann, dass sie nicht nur nationale Interessen verfolgen.

INSIDER: Im Jahr der Flüchtlingskrise, 2015, zeigten die EU-Nationen auch wenig Interesse an gemeinsamen, großen Lösungen – Sie kritisierten das deutlich. Hat sich bei diesem Thema in fünf Jahren etwas gebessert?

HABSBURG: Teilweise. Es hat sich etwas getan bei Rückführungsabkommen, aber das Problem sind immer noch die unterschiedlichen Kompetenzen. Das größte Problem dabei scheint mir aber zu sein, dass die Migra­tionsströme oder, um es konkret zu sagen, die illegale Zuwanderung eine Folge von politischen Entwicklungen in den Nachbarregionen Europas sind, auf die wir aufgrund einer fehlenden europäischen Außenpolitik überhaupt nicht reagieren können.

INSIDER: Wie beurteilen Sie Österreichs Position beim Thema Migration? Wären Sie für eine Aufnahme von Kindern aus dem griechischen Camp Moria in unserem Land?

HABSBURG: Österreich gehört sicher zu jenen Ländern, das aus einer langen Tradition heraus sehr viel für Flüchtlinge und Migranten getan hat und noch immer tut. 2015 wurde immer wieder beklagt, die Flüchtlingskrise sei deshalb ausgebrochen, weil man die Unterstützung für die Flüchtlingslager an der EU-Außengrenze gekürzt habe. Deshalb halte ich auch den Ansatz der österreichischen Regierung, vor Ort zu helfen, für richtig. Wir führen hier aber in Österreich eine parteipolitische Scheindebatte. Nach meinem Wissen hat Griechenland keine Ansuchen gestellt, dass Flüchtlinge übernommen werden sollten. Ich hoffe, nach dem Wahlkampf um Wien kehrt hier wieder eine nüchterne Betrachtungsweise ein.

INSIDER: Das Haus Habsburg stellte 800 Jahre lang Berufspolitiker. Könnten Sie sich eine Rückkehr in die Politik vorstellen? Und wenn nein: Warum wollen Sie das ausschließen?

HABSBURG: Die Begriffe „nie“ und „immerwährend“ haben aus meiner Sicht in der Politik nichts verloren. Wir sollten aber Politik nicht nur mit Parteipolitik gleichsetzen. Die Paneuropa-Bewegung ist eindeutig eine politische Organisation, gehört aber keiner Partei an. Meine Tätigkeit im Kulturgüterschutz und so manche andere Tätigkeit haben natürlich auch politische Aspekte. Eine Position, die mich von einer Partei abhängig macht, kann ich mir allerdings nicht vorstellen.

INSIDER: Sie haben zwei erwachsene Töchter und einen 23-jährigen Sohn. Haben Ihre Kinder Interesse an einer aktiven Beschäftigung in der Politik, würden sie sich gerne in einer Partei engagieren?

HABSBURG: Ich habe in der Erziehung meiner Kinder großen Wert darauf gelegt, dass sie ihren eigenen Weg gehen, ihre eigenen Interessen entwickeln. Sie haben ­alle ein politisches Gespür, aber diese Frage müssen sie für sich selbst entscheiden.

INSIDER: In einem Interview im Oktober 2018 sagten Sie, dass jene Menschen, die behaupten, die Monarchie sei eine Staatsform der Vergangenheit, „nicht realistisch“ seien. Wie meinten Sie das?

HABSBURG: Monarchien sind nach wie vor eine Realität. Sie sind nicht Vergangenheit. Sie spielen ihre Rolle und werden das auch in Zukunft tun. Ich bin dafür, diese Staatsform aus der Nostalgie herauszuholen und realistisch zu betrachten.

INSIDER: Meinen Sie, dass nach innenpolitischen Skandalen und/oder in harten Krisenzeiten die Sehnsucht nach einem Comeback der Monarchie steigt?

HABSBURG: Was in solchen Zeiten sicher steigt, ist die Sehnsucht nach politischer Orientierung und Persönlichkeiten, die diese Orientierung anbieten. Das zeigt auch die politische Entwicklung in Österreich sehr klar.

INSIDER: Mich persönlich nervt ja immer der in Wien allgegenwärtige Sisi- und Franzl-Kitsch – was sagt ein Habsburger zu dieser trivialen Darstellung?

HABSBURG: Also ich stimme Ihnen da voll und ganz zu.

INSIDER: Sie sind erfolgreicher Medienunternehmer. In Österreich existieren nicht mehr wirklich viele konservative, werteorientierte Medien – könnten Sie sich auch vorstellen, in Wien ein Projekt zu starten oder zu unterstützen?

HABSBURG: Natürlich kann ich mir so etwas vorstellen. Es gibt aber keine konkreten Projekte in oder für Österreich.

 

Richard Schmitt

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