Kanzler im ÖSTERREICH-Interview

Kurz: "Wir müssen auf Partys und große Feiern verzichten"

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Kanzler-Appell: Soziale Kontakte müssen eingeschränkt werden.

ÖSTERREICH: Jetzt ist auch Außenminister Schallenberg infiziert. Was ist passiert?

Sebastian Kurz: Alexander Schallenberg hat mich Freitagabend informiert, dass er bei einer Routinetestung Covid-positiv war. Er hat sich wahrscheinlich bei der Ratssitzung der Außenminister in Luxemburg Anfang der Woche angesteckt.

ÖSTERREICH: Sie haben den Minister danach beim Ministerrat getroffen. Was bedeutet der positive Test für Sie?

Kurz: Ich hatte keinen direkten Kontakt mit ihm, alle Regierungsmitglieder haben Masken getragen, auch Alexander Schallenberg und ich. Das hat sich jetzt als sehr sinnvoll herausgestellt.

ÖSTERREICH: Wurden Sie bereits getestet?

Kurz: Ja, ich wurde noch Freitagabend getestet – das Ergebnis ist negativ.

ÖSTERREICH: Jetzt haben wir am Samstag über 1.700 Infizierte – was natürlich besorgniserregend ist.

Kurz: Die Lage ist sehr ernst, nicht nur aufgrund der aktuellen Infektionszahlen. Innerhalb von drei Wochen haben sich die Infektionszahlen verdoppelt. Dieses Wachstum müssen wir dringend abflachen. Wenn uns das nicht gelingt und die Neuinfektionen weiter dramatisch steigen, dann würden wir uns den Kapazitätsgrenzen unserer Spitäler und unserer Intensivmedizin nähern. Daher meine Bitte an die Bevölkerung: Reduzieren Sie Ihre sozialen Kontakte, halten Sie sich an die Maßnahmen und leisten Sie so einen Beitrag, dass wir auch gut durch die zweite Welle kommen, wie es uns im Frühling gelungen ist.

ÖSTERREICH: Es wurden diese Woche vier Bezirke auf Rot gestellt. Die betroffenen Landeshauptleute haben die ­Corona-Regeln verschärft. Reicht das aus?

Kurz: Ich bin den Landeshauptleuten sehr dankbar, die hier unmittelbar reagiert haben. Klar ist auch, dass es in anderen Regionen zu hohe Infektionszahlen gibt. Auch hier muss reagiert werden.

ÖSTERREICH: Sie haben für Montag einen Video-Gipfel mit den Ländern einberufen und bundesweite Verschärfungen angekündigt. In welche Richtung geht das?

Kurz: Wir werden uns am Montag mit den Landeshauptleuten austauschen. Neben weiteren bundesweiten Maßnahmen muss vor allem in den betroffenen Regionen rasch reagiert werden. Das betrifft alle Länder mit hohen Zahlen. Derzeit ist die Situation nur noch in der Steiermark und in Kärnten stabil.

ÖSTERREICH: Sie haben dazu aufgerufen, die Kontakte zu reduzieren – das war ja auch im Frühjahr sehr erfolgreich. Müssen die Österreicherinnen und Österreicher ihr Freizeitverhalten und ihre sozialen Kontakte, etwa Privatfeiern, wieder einschränken?

Kurz: Wir wissen, dass die Masse der Ansteckungen im privaten Bereich stattfinden, das heißt: Wir müssen alle einen Beitrag leisten, indem wir auf Partys, größere Zusammenkünfte und große Feiern verzichten. Nur so können wir einen zweiten Lockdown verhindern.

ÖSTERREICH: Sie haben die Spitalskapazitäten erwähnt – es gibt aber auch die wirtschaftliche Komponente: Müssen die Zahlen nicht auch rasch runter, um zumindest noch einen Teil der Wintersaison zu retten?

Kurz: Hohe Infektionszahlen belasten nicht nur unser Gesundheitssystem, je höher die Zahlen sind, desto größer ist der wirtschaftliche Schaden und umso mehr Jobs werden vernichtet. Das trifft den Tourismus zuallererst. Das ist mit ein Grund, warum wir darum kämpfen, damit die Zahlen nicht weiter steigen.

ÖSTERREICH: Sie haben gesagt, wir müssen alles tun, um gut durch die 2. Welle zu kommen. Schaffen wir das?

Kurz: Die Frage, die ich am häufigsten gestellt bekomme, ist: Können wir einen zweiten Lockdown verhindern? Und die Antwort ist ganz einfach: Das liegt an uns allen. In weiten Teilen Europa gibt es Lockdown-ähnliche Zustände. In Tschechien, Slowenien, Frankreich, Spanien sind ganze Städte abgeriegelt, Schulen geschlossen. In Belgien gibt es nächtliche Ausgangssperren. Ja, wir können einen zweiten Lockdown verhindern, wenn jeder seinen Beitrag leistet. Wenn wir alle Kontakte reduzieren, kann es uns gelingen, Wirtschaft, Schulen und Teile unseres gesellschaftlichen Lebens auch den Winter über offen zu halten.

Günther Schröder

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