Aufnahmen aus dem Cockpit

So dramatisch waren die letzten Sekunden an Bord der Unglücksmaschine

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Lion-Air-Piloten suchten im Handbuch nach Lösung und verabschiedeten sich mit Allahu Akbar.

Die Piloten der im Oktober verunglückten Boeing 737 MAX haben Insidern zufolge vor dem Absturz noch im Handbuch nach einer Lösung des Problems gesucht. Kurz vor dem Absturz habe der Kapitän der Fluggesellschaft Lion Air das Steuer an den Ersten Offizier übergeben, um selbst noch einmal in der Anleitung nachzusehen.
 
Während der 31-jährige Kapitän vergeblich gesucht habe, habe der 41-jährige Erste Offizier die Kontrolle über das Flugzeug verloren. "Es ist wie ein Test, bei dem es hundert Fragen gibt und wenn die Zeit abgelaufen ist, hat man nur 75 beantwortet", sagte eine der Personen der Nachrichtenagentur Reuters, der die Aufnahmen aus dem Cockpit bekannt sind. "Also gerät man in Panik." Die indonesische Passagiermaschine war am 29. Oktober kurz nach dem Start in Jakarta ins Meer gestürzt.

Allahu Akbar

Die Sprachaufzeichnungen sind umso interessanter, da das vor zehn Tagen in Äthiopien verunglückte Boeing-Flugzeug der Ethiopian Airlines vom gleichen Typ war und Experten ähnliche Gründe für den Absturz vermuten. Nach Aussagen der drei Insider seien die Piloten des Lion-Air-Fluges die meiste Zeit über ruhig geblieben. Der in Indien geborene Kapitän sei am Ende ganz still gewesen, der indonesische Erste Offizier rief "Allahu Akbar". Dann prallte das Flugzeug auf das Wasser auf, 189 Menschen starben.
 
Einem vorläufigen Bericht zufolge, der im November veröffentlicht worden war, begannen die Probleme beim Lion-Air-Flug kurz nach dem Start. Der Kapitän steuerte das Flugzeug, als der Erste Offizier nach wenigen Minuten Flugzeit Probleme mit der Flugsteuerung meldete. Eine der Personen, die mit den Aufzeichnungen des Sprachrekorders vertraut sind, sagte, der Kapitän habe den Ersten Offizier daraufhin gebeten, im Handbuch mit Kurzanleitungen für ungewöhnliche Ereignisse nachzusehen. Dem Bericht zufolge meldete das Flugzeug einen Strömungsabriss, als Reaktion wurde die Nase heruntergedrückt. "Die Piloten scheinen nicht bemerkt zu haben, dass das Stabilisierungssystem nach unten drückt", sagte einer der Insider. "Sie dachten nur an Fluggeschwindigkeit und Höhe. Das war das Einzige, worüber sie sprachen."
 

Sprachrekorder

Zum ersten Mal kommen nun Inhalte aus den Aufzeichnungen des Sprachrekorders an Bord des Lion-Air-Flugzeugs an die Öffentlichkeit. Die drei Insider kennen die Aufnahmen aus dem Cockpit und haben der Nachrichtenagentur Reuters unter Zusicherung ihrer Anonymität davon berichtet. Reuters liegen die Aufzeichnungen oder deren Transkript nicht vor.
 
Der im November veröffentlichte vorläufige Untersuchungsbericht enthält keine Inhalte des Sprachrekorders, da dieser erst im Jänner vom Meeresboden geborgen werden konnte. Der endgültige Report könnte im Juli oder August vorliegen. Ein Lion-Air-Sprecher verwies darauf, dass alle Unterlagen und Informationen den Behörden übergeben worden seien, und lehnte eine Stellungnahme darüber hinaus ab. Boeing wollte ebenfalls keinen Kommentar abgeben.
 
Nach den Abstürzen der zwei Boeing 737 MAX mit insgesamt 346 Toten ist das Stabilisierungssystems MCAS im Visier. Das MCAS soll bei zu steilem Flugwinkel einen Strömungsabriss verhindern, indem es automatisch die Nase der Maschine absenkt. Boeing empfahl seinen Kunden, die rund 350 betriebenen Maschinen vorerst am Boden zu lassen. Zuvor hatten nationale Behörden weltweit Startverbote für das Flugzeugmodell verhängt, das erst seit 2017 am Markt ist. Die Auslieferungen der 737 MAX wurden gestoppt. Die EU und Kanada kündigten an, die Jets erst wieder abheben zu lassen, nachdem sie sich selbst von der Sicherheit überzeugt haben.
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